Der Zweihänder erklärt: Benutzung, Fakten, Unterschiede | Donnerhaus (2024)

Besondere Schwerter dominieren die Mythen und Legenden. Excalibur, Joyeuse, Durandal, Hrunting, Kusanagi und Zulfiqar; ja selbst das Schwert des Damokles. Das alles sind jedoch individuelle Waffen. Genauso legendär, wenn auch weniger mythisch, ist eine ganz bestimmte Art von Schwert: der Zweihänder. Willst du mehr über Schwerter im allgemeinen wissen, dannlegen wir dir den Waffenkundeartikel zum Schwert und der Artikel zur Benutzung des Schwerts ans Herz.

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Was ist ein Zweihänder?

Kurz gesagt: Ein riesiges Schwert. Man nehme die landestypische Schwertform, den bestmöglichen Stahl, den man kriegen kann, und vergrößere einfach alles ein wenig. Vor allem aber verlängere man Griff und Klinge. Fertig ist der Zweihänder, auch bekannt als Bidenhänder, Großschwert, Spadone in Italien, Montante in Spanien, Grand Épée in Frankreich und als Greatsword und Claymore im englischsprachigen Raum. Die Japaner nennen ihren Zweihänder Odachi, von O (groß) und dachi (Schwert).

Der Renaissance-Bidenhänder

Das verbreitetste Bild eines Zweihandschwerts ist in Europa sicherlich der Bidenhänder der Renaissance. Diese Waffe wird in der populären Wahrnehmung vorrangig mit Landsknechten und Reisläufern assoziiert, wie es sonst nur noch der Pike und der Hellebarde zuteil wird.

Grundsätzliches zum Bidenhänder

Bei einem Bidenhänder bildet die geschliffene Klinge oft nur etwa 60% der Gesamtlänge. Der Rest ist eine Fehlschärfe oberhalb der Parier (Ricasso genannt), Parier und Griff, wobei vor allem der Griff oft ausgesprochen lang ist.

Die Parier eines Bidenhänders kann normal proportioniert sein, ganz als ob es ein normal großes Schwert wäre. Sie kann jedoch auch sehr ausladend und gewaltig sein. Einige Exemplare haben eine derart ausgeprägte Parier, mit zusätzlichen Haken, Schnörkeln und Ösen, dass sie fast schon an das Geweih eines Hirsches erinnert.

Oft verfügt die Klinge zwischen Ricasso und Schneide noch über seitlich herausragende Krallen. Diese dienen als zusätzliche Parierstange und sollen die Hand des Nutzers schützen, wenn er die Waffe an der Fehlschärfe greift.

Sonderform des Bidenhänders

Während der gewöhnliche Zweihänder vor allem bei deutschen Landsknechten große Beliebtheit genoss, gab es noch eine Variante mit geflammter Klinge. Diese als Flamberg oder auch Flammenschwert bezeichnete Waffe sah man vermehrt in der Hand von Schweizer Söldnern. Das lag unter anderem daran, dass einige der besten Waffen dieses Typs in der Schweiz hergestellt wurden, aber auch daran, dass die Schweizer besser als jeder sonst wussten, weshalb eine geflammte Klinge eine gute Idee war.

Während eine gerade Klinge nämlich besonders glatt an einem Hindernis abgleitet, erzeugt eine gewellte Klinge mehr Reibungswiderstand und beißt besser in das Holz der anderen Waffe. Zumindest wenn diese aus Holz ist, wie im Falle einer Pike.

Doppelt Geld im Pikenwald: die Doppelsöldner

Wer einen Bidenhänder führte, wurde oft als sogenannter Doppelsöldner bezeichnet. Natürlich nur, sofern er auch ein Söldner war, aber das waren die meisten professionellen Kämpfer des 16. Jahrhunderts. Nur, warum Doppelsöldner?

Etwa weil das Schwert mit seinen durchschnittlichen 160–180 Zentimetern fast doppelt so groß war wie ein normales Schwert? Das natürlich nicht, denn dann wäre ein Pikenier ja ein Vierfachspießer gewesen. Die wahre Ursache ist, dass diese Kämpfer den doppelten Sold erhielten. (Was im Mittelalter als Sold für das Heer noch üblich war könnt ihr für das frühe 14. Jh hier nachlesen.)

Doppelsöldner waren all jene Kämpfer, die entweder über besondere Fähigkeiten und angepasste Ausrüstung verfügten oder sehr riskante Aufgaben erledigten. Kampf im verlorenen Haufen – die erste Angriffswelle, die auf den Feind traf und daher den größten Blutzoll zahlte – war ein einfacher Weg, zumindest für eine kurze Zeit zum Doppelsöldner zu werden. Ein anderer Weg war es, ein Schwertmeister zu werden. Dazu musste man Lehrbriefe von bereits verbrieften Schwertmeistern sammeln.

Wer mit dem Bidenhänder kämpfte, war in der Regel alles davon: risikobereit, gut ausgebildet und bestens ausgestattet. Sobald man weiß, was diese Kämpfer taten, wundert es einen auch nicht, warum „Doppel“söldner in vielen Fällen nicht einmal im Ansatz stimmte. Es gibt belegte Fälle von Bidenhänder-Kämpfern, die gar das Fünffache und mehr des normalen Soldes erhielten.

Zweihandwaffen glänzen in der Offensive

Zweihandschwerter gab es, seit es möglich war, sie herzustellen, und es gab sie in zahllosen Varianten. Sogar die Römer hatten schon ihre liebe Not mit Zweihandschwertern, als ihnen die Daker mit ihren gekrümmten Falxen reihenweise die Helme einschlugen und sie dazu zwangen, ihr Helmdesign zu überdenken.

Solche Zweihandschwerter sind mächtige Waffen, denn sie kombinieren die Reichweite eines Speers mit den Vorzügen eines Schwerts und paaren sie mit einem Hauch jener Schlagkraft, die sonst nur Äxte und Kriegshämmer liefern.

Zweihänder sind offensive Waffen, die einen entschlossenen und risikoreichen Kampfstil belohnen. Anstatt dass man darauf wartet und hofft, dass der Gegner irgendeinen Fehler macht, den man ausnutzen könnte, geht man den Kontrahenten frontal an und durchbricht, was auch immer er an Verteidigung hat. Die meisten Einhandwaffen sind kaum imstande, die Angriffe eines Zweihandschwerts wirksam abzuwehren, und selbst ein Gegner, der über einen Schild verfügt, kann durch die schiere Brutalität dieser Waffe völlig in die Defensive gezwungen werden, bis seine Verteidigung zusammenbricht.

Das Verteidigen macht keine Freude

Das ganze hat jedoch einen Haken: Zweihandschwerter sind extrem schlecht in der Defensive. Wenn ein Kämpfer mit einer solchen Waffe in die Verteidigung gezwungen wird, tut er gut daran, umzugreifen und sein gewaltiges Schwert wie einen kurzen Zweihandspeer zu führen. Das ist auch der Grund, weshalb es die Fehlschärfe gibt und weshalb viele Zweihänder sehr prominente Parierringe haben. So kann man, unter Druck, die Waffe defensiv und in beengten Verhältnissen besser kontrollieren. Nichtsdestotrotz ist man dennoch im Nachteil, sobald man die Initiative verliert.

Der Doppelsöldner ist mehr als sein Schwert

Um einen Zweihänder wirkungsvoll einzusetzen, braucht es daher eine schwere Rüstung. So schwer wie möglich. Genau das wusste man auch schon damals, weshalb die Doppelsöldner zu den am schwersten gerüsteten Kämpfern auf dem Schlachtfeld zählten, auch wenn das auf Holzschnitten nur selten zu sehen ist. Viel von der Rüstung verbarg sich unter üppig geschnittener Tuchkleidung, aber vor allem zeigen die meisten Drucke und Schnitte diese Kämpfer nicht in der Schlacht selbst, sondern in der Etappe. Ganz ohne Rüstung.

Nur, was genau tut so ein stark gerüsteter Doppelsöldner denn nun?

Drauf und dran, Spieß voran!

Im 15. und 16. Jahrhundert war eine Waffe auf die Schlachtfelder Europas zurückgekehrt, die zwar nie völlig verschwunden war, jedoch seit der Anfangszeit der Römischen Republik im Dornröschenschlaf geschlummert hatte: die Pike, die zuletzt noch von den Schotten gegen die Engländer eingesetzt wurde aber ein Opfer des Bogens wurde. Um den Renaissance-Bidenhänder zu verstehen, muss man die Pike verstehen.

Die Pike war die Königin des antiken Schlachtfelds und sie war eines der drei Standbeine, auf denen die Eroberungen Alexanders des Großen beruhten. Die anderen beiden waren Bogenschützen und Kavallerie. Das tut hier aber nichts weiter zur Sache.

Die Macht der Pike lag darin, dass sie, richtig eingesetzt, kaum zu überwinden war. Richtig eingesetzt bedeutete, dass man Hunderte und Aberhunderte von Pikenträgern brauchte, die gemeinsam auf eine ganz bestimmte Art zusammen kämpften. Die sogenannte Mazedonische Phalanx war viele Männer tief und bildete eine regelrechte Wand aus stoßenden Pikenspitzen. Wer eine Spitze abwehrte, wurde direkt von drei anderen erstochen, die auf unterschiedlichen Höhen zustießen. Dabei rückte die Phalanx dem Feind in gleichmäßigem Tempo erbarmungslos auf die Pelle. Eine richtig aufgestellte Phalanx war fast unbesiegbar.

Die römischen Legionen bezwingen die Phalanx

Jedoch nur fast, denn dann kamen die Römer und fanden eine Lösung. Genau in diesem Moment wurde die Kampfweise der römischen Legionen geboren, die sich danach kaum noch veränderte. Genau hier kam der Großschild der Römer zum ersten Mal voll zur Geltung, und genau gegen diesen Feind brillierte das Kurzschwert.

Statt zu versuchen, die Piken der Griechen mit eigenen Piken zu schlagen, entschieden sich die Römer nämlich, die Piken einfach zu ignorieren. Sie nutzten ihre großen Schilde, gewinkelt und im Rechts-links-Wechsel hintereinander, um ganz banal zwischen den Spießen hindurchzugehen. Natürlich war das nicht ohne Risiko und forderte einen relevanten Blutzoll, aber es funktionierte. Waren die Legionäre einmal bei den Pikenträgern selbst angekommen, so waren diese so gut wie wehrlos. Wenn sie die Pike losließen und einen Dolch zogen, wurde die Phalanx überrannt. Taten sie es nicht, wurden sie von den Römern im Nahkampf getötet. Im Mittelalter spielte die Phalanx jedoch in veränderter Form wieder eine dominante Rolle.

Das Schwert bezwang die Pike

Als sich der Staub gelegt hatte, stieg Rom zur Weltmacht auf. Die griechische Phalanx war bezwungen, und Rom dachte nicht einmal im Traum daran, die Kampfweise der Griechen zu kopieren. Schließlich hatte man bewiesen, dass man selbst nun etwas Besseres hatte. Vor allem aber hatte man der ganzen antiken Welt gezeigt, wie man die Phalanx mit vergleichsweise geringem Aufwand vernichtend schlägt.

Wenn ich nun im Schwert-Artikel schreibe, dass das Schwert bis auf ganz wenige Ausnahmen niemals die primäre Kriegswaffe gewesen ist: Das ist der Grund.

Die Römer behielten das Kurzschwert bei, nicht, weil es im Allgemeinen die beste Waffe war, sondern weil es für genau die Art, wie sie kämpften, gut war und es niemanden gab, der ihnen auf dem Schlachtfeld etwas Ernstzunehmendes entgegenzusetzen hatte. Zugespitzt formuliert: Sie waren nicht wegen des Gladius erfolgreich, sondern trotz.

Die Renaissance der Pike

Es dauerte nun über tausend Jahre, ehe es in Europa wieder Mächte gab, die es an Struktur, Organisation und Größe mit dem Vorbild aufnehmen konnten, das ihnen die Römer hinterlassen hatten. Als die Kavallerie dank Steigbügeln, besserer Panzerung und schwerer Lanzen mehr und mehr zu einem Problem für die Infanterie wurde, kehrte die Pike nach langer Pause in alter Form zurück auf Europas Schlachtfelder.

Nur war die Zeit vorbei, wo Monokultur in den Heeren herrschte. Die Pike war nun weit mehr als die Waffe der Infanterie, denn die Infanterie hatte nun Waffen, die es früher nicht in dieser Form gegeben hatte: Armbrüste, leistungsfähigere Bögen und vor allem Hakenbüchsen. Hinzu kam eine völlig neue Waffengattung: die Artillerie. Als schließlich die Hakenbüchse von der Arkebuse abgelöst wurde und Kanonen nicht nur überhaupt, sondern auch noch weit und wirksam schießen konnten, übernahmen die Schwarzpulverwaffen die zentrale Rolle auf dem Schlachtfeld.

Damit wurde der Pike eine neue Rolle zuteil. Es war nun nicht länger ihre Aufgabe, den Feind auf sich gestellt zu bezwingen. Vielmehr ging es nun darum, die zunehmend wertvollen und von Jahr zu Jahr wirkungsvolleren Geschütze und Handfeuerwaffen zu verteidigen. Und genau das konnte die Pike ganz hervorragend tun. Was gibt es Besseres als ein bewegliches Hindernis, das buchstäblich eine Wand aus eisernen Dornen ist?

Ein wahrer Gassenhauer

Nun, da die Pike zurück auf dem Schlachtfeld war, brauchte es auch wieder etwas, um sie irgendwie zu bezwingen, aber die Römer kopieren konnte man nun nicht mehr. Hätte man das tun wollen, dann hätte man sein eigenes Heer ganz auf diesen Konter auslegen müssen. Allerdings brauchte man ja selbst die Piken zum Schutz der eigenen Kanonen und zur Abwehr feindlicher Kavallerie.

Es geschahen zwei Dinge: Die Hellebarde wurde kürzer und das Schwert wurde länger. Wenn sich nun zwei Pikenhaufen ineinander verkeilten, dann drängten die Hellebardiere und die Zweihandschwinger nach vorn. Dort kämpften sie sich durch die weitgehend verhakten Piken an den Gegner heran und griffen diesen aus nächster Nähe an.

Die Hellebarde war dabei die grundlegend wirksamere Waffe, denn sie konnte stoßen wie ein Speer, hacken wie eine Axt und mit ihrem Blatt und dem dazugehörigen Nackenhaken Gegner aus der Formation reißen. Sie war aber extrem schlecht dafür geeignet, die wenigen paar Meter Distanz zur gegnerischen Gruppe zu überbrücken, um dort eine Bresche zu öffnen.

Genau hier kommt der Zweihänder ins Spiel, der daher auch nicht umsonst als Gassenhauer bezeichnet wird. Ganz recht: Ein Gassenhauer ist ein schwer gepanzerter Schweizer Söldner oder Landsknecht, der gegnerische Piken beiseiteschlägt und zerhackt und dann dem Gemetzel der Hellebarden Tür und Tor öffnet. Heute denken wir bei Gassenhauern ja eher an Sauflieder.

Führung des Zweihänders

Der Zweihänder ist eine der vielseitigsten Waffen, was seine Führung angeht. Man kann ihn lang am Griff fassen und irrwitzig wuchtige, weit ausholende Rundumschläge führen. Das geht natürlich nur, wenn keine Freunde in der Nähe sind, denn viel Kontrolle hat man dann nicht mehr. Derartige Schläge können jedoch völlig verheerend sein, wenn sie ungepanzerte Gegner treffen oder Schwachstellen erwischen. Ein weiter Hieb mit dem Zweihänder kann einem Pferd in einem Zug den Kopf vom Rumpf trennen, und Tests haben gezeigt, dass ein einziger Schwung mühelos die Köpfe von bis zu 4 Männern auf halber Höhe von Ohr zu Ohr entzweischlagen kann.

Die Ricassoführung: wie ein Speer

Man kann den Bidenhänder aber auch völlig anders handhaben. Mit einer Hand am Griff und der zweiten Hand am Ricasso wird die Waffenführung verkürzt und die gewaltige Klinge kontrollierbarer. So geführt, wird das Zweihandschwert in seiner Führung zu einer Art Vollstahl-Kurzspeer.

Auch die Parier kann als Griffhilfe dienen, und nicht selten hat sie sogar speziell dazu ausgestaltete, weit ausladende Griffringe. So können Stiche über feindliche Schilde hinweggelenkt werden, und es ist einem Kämpfer möglich, gegen einen Berittenen anzugehen, sofern der Doppelsöldner dem Pferd nicht einfach die Beine wegschlägt und so den Reiter zum Albatros macht.

Auch der Griffknauf ist nicht selten als Waffe zu gebrauchen und kann für Stöße nach hinten verwendet werden, wenn das Schwert in Ricassoführung gehalten wird.

Zusammenfassung

Der Zweihänder ist eine der bekanntesten Kriegswaffen der Renaissance. Sein Bild ist bis heute untrennbar mit dem Gedanken an Landsknechte und Reisläufer verbunden, und keine Waffe hat derartigen Eindruck bei Comiczeichnern in Europa, Amerika und Fernost hinterlassen wie der europäische Bidenhänder. So findet man ihn heute sogar in Mangas und Animes, oft noch einmal ins Groteske überzeichnet. Auch in kaum einem Rollenspiel darf er fehlen, und selbst in Highlander ist er die Waffe der Wahl für den Kurgan.

Er ist im Wesentlichen ein riesiges Schwert, und in den richtigen Händen ist seine Wirkung verheerend. Der Träger sollte jedoch gut gepanzert sein, denn seine beste Verteidigung ist der Angriff, und man kann mit einem Bidenhänder keinen Schild mehr führen.

Damit man ihn verstehen kann, muss man ihn im Kontext seiner Zeit erfassen. Nur im Konter gegen den Pikenwall und als Teil einer „combined-arms“-Strategie im Verbund mit Piken, Artillerie, Schützen und vor allem Hellebardieren erkennt man seinen eigentlichen Zweck.

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Author: Corie Satterfield

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